Die Berggorillas von Rumabgabo
VON THORSTEN BÖCKEL
Ein Besuch bei den Kabirizis
Ausgangspunkt dieses Familienbesuches war die Stadt Goma welche im Nordosten der Demokratischen Republik-Kongo am Lake Kiwu liegt. Passiert man nach etwa 20km den Nyiragongo Vulkan hat man es in die sagenhaft schöne Landschaft der Virunga Vulkankette geschafft. Weiter nordöstlich erscheint der fast unscheinbare Vulkanrücken des Nyamuragira. Zusammen mit dem Nyiragongo gehören diese beiden Vulkane zu den Aktivsten dieser Achterkette.
Nun beginnt das Gebiet der Berggorillas und nach weiteren 15 Kilometer extremer Holperstrecke Richtung Südost erreichen wir mit bewaffneter Begleitung den ehemaligen Militärstützpunkt Rumangabo. Die allgemeine Situation in diesem unruhigen Grenzlandgebiet zusammen mit Rebellentruppen welche bereits auf den Nachbarvulkanen sitzen, schrecken viele Besucher ab, diese Gegend überhaupt aufzusuchen. Das hat natürlich den Vorteil dass hier noch fast ungestört freilebende Berggorillagruppen besucht werden können.
Ausgangspunkt für den Gorillatreck ist die Rangerhütte Bukima. Sehr gespannt blickten wir auf die im Dunst gelegene Silhouette der etwa 10 Kilometer entfernten Bergwälder. Irgendwo da oben wohnt sie, die Familie des Silberrückens Kabirizi. Wir sind spät dran, und es ist zu befürchten, dass bei Ankunft die Gorillafamilie bereits in die höhere kältere Waldregion gezogen ist. Nach der Überquerung von bewirtetem Ackerland geht es in den dichten Urwald, der Weg wird schlammig, die Luft ist dampfig, aber die Spannung steigt. Werden wir überhaupt einen Gorilla zu Gesicht bekommen, ich-glaube-nicht-daran, es gibt ja eh kaum mehr welche. Nach einem etwa 2,5 stündigen Marsch und einem Anstieg von etwa 500 Höhenmetern erreichen wir die Blätterwälder, und man kann sie förmlich riechen. Hier müssen sie sein.
Wegen des Geruches ziehen wir unsere Atemschutzmasken nicht an, sondern es ist eine Parkvorschrift, da Berggorillas sehr empfindlich gegen Menschenkrankheiten sind. Nach einem längeren Herumgestöber unserer Ranger in dem bauchhohen Blättergestrüpp bewegt sich plötzlich ein Stück glänzendes schwarzes Fell und der dazugehörige Menschenaffe erscheint wahrhaftig in voller Pose.
Von Panik oder Aggressivität allerdings nichts zu spüren. Der ausgewachsene Berggorilla futtert weiter munter vor sich hin und lässt sich nicht stören. Zehn Meter weiter raschelt es wieder, und bis man es bemerkt befinden wir uns im Wohnzimmer der Kabirizis. Einer der größten bekannten Bergorillafamilie mit momentan 38 Mitgliedern. Zwei weitere Grüppchen mit je 4 und 6 Gorillas bewohnen ebenfalls diese Gegend. 36 Gruppen sollen es im weiterräumigen Gebiet insgesamt sein.
Mittlerweile tobt und tollt es um uns herum. Manchmal kann der Mindestabstand von 7 Metern gar nicht mehr eingehalten werden, da ‚jugendliche‘ Gorillas neugierig sind und sich geschickt über die höher gelegenen Lianenteppiche aus nächster Nähe an uns vorbei abrollen.
Die Ollen sind da etwas gemütlicher und es gelingt immer wieder nahe Blickkontakte mit ausgewachsenen Gorillamänchen und Weibchen herzustellen. In diesen Momenten ist man sich allerdings auch nicht ganz sicher ob hier gleich die Fetzen fliegen, nämlich meine. Aber auch hier, friedliche Gelassenheit.
Der Unterschied der Gorillamänchen
Zum Schluss stand noch die Audienz bei Silberrücken Kabirizi an. So heißt der Familienchef hier. Ein Waschechter Silberrücken. Auch hier keine Spur von Angriffslust. Gut gefuttert sitzt er im Busch, überspielt seine Neugier unseres Tun- und Lassens mit dem betrachten seiner eigenen Familienmitglieder. Er gibt ein Zeichen, und die ganze Affenbande verschwindet im Nu, im Dickicht des höher gelegenen Bergurwaldes.
Eine wirklich nette Familie, aber eine nach wie vor bedrohte Familie. Wilderer und Jäger bedrohen sie. Somit sind die Parkranger immer bewaffnet und kämpfen wenn es sein muss, um jedes einzelne Familienmitglied erbittert. Manchmal verlieren Sie auch den Kampf. Selbst die beste Protektion kann den Irrsinn, die Jagd auf diese friedlichen Bewohner der Virungavulkanwälder nicht stoppen. Der absurdeste Grund den ich erfahren habe ist die Sicherung der Fleischversorgung für die Arbeiter der Rohstoff-und Coltanminen. Nach Auskunft der Ranger beläuft sich die Zahl der Berggorillas im Virungagebiet auf 480. Weiter 320 wurden im Biwindi-Urwald in Uganda gezählt, das ergibt 700. Die Gesamtzahl der Berggorillas zwischen Kongo, Ruanda und Uganda wird weltweit auf etwa 750 gezählt. Das war’s, mehr gibt es nicht mehr auf unserem Planeten. Es lebe der Profit!